Einführung in die systemische Bindungstheorie und -praxis
Kindliche Bindungswünsche verstehen
Fehlende Feinfühligkeit, Vernachlässigung und Gewalterfahrung erschweren es Eltern, ihre Kinder sicher zu binden und diese gut geschützt ins Leben zu entsenden. Daher begegnen uns Kinder – und diese sich untereinander – manchmal mit Bindungs- und Explorationswünschen, die schwer als solche erkennbar sind. Ihre Beziehungen und oft auch ihr Spielen und Lernen sind erschwert.
Die systemischen Beratungsarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien wird durch vielfältige andere Beratungsansätze und Entwicklungspsychologische Theorien ergänzt, so sie kompatibel mit der systemischen Haltung und dem systemischen Menschenbild sind. Neben traumapädagogischen Ansätzen gehört dazu u.a. auch die Bindungstheorie.
Die Bindungstheorie wurde in den 1960er Jahren von John Bowlby entwickelt und hat in den letzten Jahrzehnten durch vielfältige Forschungen einen rasanten Aufschwung genommen. An der Weiterentwicklung in Deutschland waren vor allem Karin und Klaus Grossmann, Karl-Heinz Brisch, Gabriele Gloger-Tipelt und viele andere mehr beteiligt. Eine wichtige Verbindung zwischen den systemischen Beratungsansätzen und der Bindungstheorie wurde u.a. von Alexander Trost geschaffen. Zahlreiche präventive Gruppenangebote wie z.B. das Safe-Programm u.a. sind heute wichtige Bestandteile der Beratungs- und Jugendhilfearbeit.
Insbesondere durch die neueren neurobiologischen Erkenntnisse und die Bedeutung des Bindungswissen in der traumapädagogischen Arbeit hat die bindungssensible Beratungsarbeit an Bedeutung gewonnen.
Die Bindungstheorie, ihre Haltung, ihre Diagnostikmethoden sowie ihre Erkenntnisse über Sprache und die Gestaltung von Beratungsgesprächen unterstützen uns dabei, uns selbst und unsere Klient*innen noch einmal anders zu beobachten, zu verstehen, neue und andere Hypothesen zu bilden, das Beziehungsangebot passend zu gestalten, unsere Selbstfürsorge zu verfeinern und unsere Ressourcen zu nutzen.
Die Erkenntnisse der Bindungsforschung sind hilfreich für die Beratung von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Familien, Paaren, Teams und Organisationen.
Neben einem intensiven Theorieanteil, zeichnet sich das Seminar durch einen hohen Anteil an Selbstreflexions- und Selbsterfahrungsübungen aus, die den Transfer in die Praxis verstärken.
Ziele
Im Seminar leiten uns die Fragen: Wie kann Kindern und Eltern im Rahmen von Kita, Schule und Jugendhilfeeinrichtungen sowie in Beratung geholfen werden, sich sicher zu binden? Wie kann ich als Fachkraft anhand der Reflexion meiner Bindungserfahrungen mein Verhalten und Erleben verstehen, so dass ich hilfreich für Kinder und Eltern sein kann?
- Die Teilnehmer*innen lernen anhand von Vorträgen und Videoaufzeichnungen, welche Bindungsmuster es gibt, wie sie entstehen und sich verändern können.
- Sie reflektieren in Einzel- und Partnerübungen ihre eigenen Bindungsmuster.
- Sie wissen um die Relevanz eigener Bindungserfahrungen für die Arbeit in ihren professionellen Kontexten.
- Sie reflektieren bindungsorientierte Aspekte in ihrer alltäglichen Arbeit
Inhalte
- Entstehung von Bindungsmustern
- Konzept der Feinfühligkeit
- Sicherer Kreis von Bindung und Exploration
- Entstehung von „Bindungsstörungen“/ Bindungsskepsis im Kindesalter/Jugendalter » Entstehung und Veränderung von inneren Arbeitsmodellen der Bindung im Lauf des Lebens
- Praxisbezug: Umgang mit bindungsskeptischen Kindern/Jugendlichen in der Jugendhilfe
- Entwicklung der eigenen Bindungsfähigkeit als professionelle Notwendigkeit und Kompetenz
Zielgruppen
Fachleute aus Arbeitsfeldern der psychosozialen Arbeit, Pädagogik, Prävention, Therapie, Gesundheit, Pflege, Schule, Beratung sowie Seelsorge.
VSo20 Einführung in die systemische Bindungstheorie
Termin: 11.01.-13.01.2024 - online
Für dieses Seminar wurden LPK-Fortbildungspunkte beantragt.
